Monatsinformation September 2024: Einkommensteuer
In dieser Monatsinformation September 2024 (Fokus: Einkommensteuer) stellen wir Ihnen die relevanten Informationen für einkommensteuerpflichtige Personen zur Verfügung. Lesen Sie hier, was Sie in der aktuellen Rechtsprechung beachten müssen. Sollten Sie dabei Hilfe benötigen, stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung!
Für Einkommensteuerpflichtige
Begriff „Betriebsstätte“ im aktuellen steuerlichen Reisekostenrecht
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass sich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 nur der Begriff der „Arbeitsstätte“ und nicht auch der Begriff der „Betriebsstätte“ geändert hat (Az. 1 K 1219/21).
Im Streitfall erzielte der Kläger als IT-Berater Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Seine Tätigkeit übte er an vier Tagen pro Woche am Sitz seines einzigen Kunden aus. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2016 bis 2018 machte er Aufwendungen für die Fahrten von seiner Wohnung zum Kunden und zurück als Betriebsausgaben geltend, und zwar nach Dienstreisegrundsätzen (0,30 Euro/km für Hin- und Rückfahrt) und nicht mit der Entfernungspauschale (0,30 Euro/km für die Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb des Kunden). Das Finanzamt hingegen folgte der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen und vertrat die Ansicht, dass dem Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ in § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG), der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 eingeführt wurde, auch Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der „Betriebsstätte“ zukomme. Daher habe der Kläger bei seinem Kunden seine „erste Tätigkeitsstätte“, sodass nur die Entfernungspauschale von 0,30 Euro anzusetzen sei.
Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hatte vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz keinen Erfolg. Zwar sind die gesetzlichen Anforderungen an eine „erste Tätigkeitsstätte“ i. S. d. § 9 EStG (neue Fassung) im Streitfall aus mehreren Gründen nicht erfüllt. Allerdings ist die „Betriebsstätte“ nicht unter Rückgriff auf den durch die Neuregelung eingeführten Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ zu bestimmen, sondern weiterhin auf der Grundlage der bisherigen Auslegung des Betriebsstättenbegriffs durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Demnach ist im Streitfall der Sitz des Kunden des Klägers als seine Betriebsstätte anzusehen, sodass er seine Fahrtkosten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben geltend machen kann. Nach Auffassung des Finanzgerichts stellt die Wohnung des Klägers bzw. sein häusliches Arbeitszimmer keine Betriebsstätte dar.
Hinweis: Weil noch keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu der hier streitigen Frage vorlag, hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Zudem ist das Finanzgericht von der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen im Schreiben vom 23.12.2014 abgewichen, wonach die Bestimmung des Begriffs der „Betriebsstätte“ unter Rückgriff auf § 9 Einkommensteuergesetz erfolgen soll. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da der Kläger inzwischen Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt hat (BFH-Az.: VIII R 15/24).
Freiberufler: Zuordnung einer Leasingsonderzahlung zu den jährlichen Gesamtaufwendungen für betriebliche Fahrten
Der Bundesfinanzhof hatte zu entscheiden, ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, wenn ein Freiberufler, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, die Leasingsonderzahlung in einen Zeitraum mit vorübergehend außergewöhnlich hoher beruflicher Nutzung des Pkw verlagert (Az. VIII R 1/21).
Zur Ermittlung der jährlichen Gesamtaufwendungen für betriebliche Fahrten im Rahmen einer Nutzungseinlage ist eine Leasingsonderzahlung, die für ein teilweise betrieblich genutztes Fahrzeug aufgewendet wird, den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags unabhängig vom Abfluss im Rahmen einer wertenden Betrachtung zuzuordnen. Der Anteil der Leasingsonderzahlung an den jährlichen Gesamtaufwendungen für die betrieblichen Fahrten eines Jahres ist danach kumulativ aus dem Verhältnis der betrieblich gefahrenen Kilometer zu den Gesamtkilometern des jeweiligen Jahres und zeitanteilig nach dem Verhältnis der im jeweiligen Jahr liegenden vollen Monate und der Laufzeit des Leasingvertrags zu bestimmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Leasingsonderzahlung dazu dient, die monatlichen Leasingraten während des Vertragszeitraums zu mindern.
Einem anteiligen Abzug der Leasingsonderzahlung als Betriebsausgabe und als Werbungskosten steht bei einer gemischten Veranlassung durch die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung und durch reine Privatfahrten außerhalb der steuerlichen Erwerbssphäre auch § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht entgegen, da es sich bei der Leasingsonderzahlung um eine anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbare Aufwendung handele.
Steuerbilanzielle Rückstellung für Altersfreizeit
Für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gewährung von Altersfreizeit (von zwei Tagen pro Jahr der Betriebszugehörigkeit), die unter den Bedingungen einer mindestens zehnjährigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitsnehmers sowie der Vollendung dessen 60. Lebensjahres steht, ist lt. Bundesfinanzhof eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden (Az. IV R 22/22).
Streitig war die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit einer Rückstellung für Altersfreizeit. Ein Unternehmen gewährte ihren älteren Beschäftigten neben ihrem vertraglichen Jahresurlaub einen zusätzlichen jährlichen Anspruch auf bezahlte Altersfreizeit von zwei Tagen pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Voraussetzung für den Erhalt war eine Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren und das Überschreiten der Altersgrenze von 60 Jahren. Das beklagte Finanzamt lehnte die steuermindernde Berücksichtigung der hierfür gebildeten Rückstellung ab. Die Voraussetzungen einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten seien nicht erfüllt.
Bereits das Finanzgericht Köln hatte zu Gunsten des Unternehmens entschieden. Die Richter des Bundesfinanzhofs wiesen die Revision des Finanzamts zurück. Sie sahen einen Leistungsüberhang der Arbeitnehmer in der langjährigen Zugehörigkeit zum Unternehmen und damit eine bereits am Bilanzstichtag bestehende Verpflichtung des Unternehmens. Der für die Rückstellungsbildung notwendige Erfüllungsrückstand ist auch an den wirtschaftlichen Gegebenheiten zu messen. Die Bilanzierungsgrundsätze gelten auch für Dauerschuldverhältnisse und damit – wie im Streitfall – für Arbeitsverhältnisse. Auch wenn im Streitfall noch nicht bei allen Arbeitnehmern beide Bedingungen für die Altersfreizeit erfüllt waren, ist die zukünftige Verpflichtung hinreichend wahrscheinlich.
Hinweis: In der Handelsbilanz sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Das handelsrechtliche Passivierungsgebot für Rückstellungen für Verbindlichkeiten gehört zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz.
Steuerfreie Zuschläge für Bereitschaftsdienste
Der Bundesfinanzhof hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass sich die Steuerfreiheit von Nachtarbeitszuschlägen nach den regelmäßigen monatlichen Dienstbezügen (Grundlohn) und nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt bemisst (Az. VI R 1/22).
Damit wurde die Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts bestätigt, dass sich der Grundlohn nach § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG bemisst und nicht nach dem niedrigeren Bereitschaftsdienstentgelt. Dieser bemisst sich nach dem regulären, vertraglich vereinbarten – auf eine Stunde umgerechneten – Arbeitslohn (Grundlohn) der Beschäftigten und nicht nach dem geringeren Stundenlohn, der sich aus der Umrechnung des regulären Stundenlohns auf die tatsächlich als Arbeitszeit vergütete Bereitschaftsdienstzeit ergibt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Arbeitnehmer für die zuschlagsbewehrte Tätigkeit neben den Erschwerniszuschlägen einen Anspruch auf Grundlohn haben.
Bewirtung eigener Arbeitnehmer – „Geschäftliche” Veranlassung von Bewirtungskosten?
Eine „geschäftliche” Veranlassung fehlt vor allem dann, wenn ein Unternehmen seine eigenen Arbeitnehmer bewirtet. Nur derjenige Bewirtungsaufwand, der betrieblich veranlasst ist, aber auf die eigenen Arbeitnehmer entfällt, ist deswegen nicht in seiner Abzugsfähigkeit begrenzt. So entschied das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Az. 6 K 6089/20).
Die Abzugsbeschränkung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG) erfasst auch Veranstaltungen, bei denen neben Dritten (Geschäftspartner, Kunden etc.) auch eigene Arbeitnehmer des Unternehmens teilnehmen. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG ist auch dann anzuwenden, wenn die Verköstigung in einen anderen betrieblichen Vorgang eingebunden und diesem gegenüber untergeordnet ist.
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